Was unter der Bezeichnung
    "Mittagstisch" aus deutschen 
    Kantinenküchen kommt, wäre ebenfalls einer eigenen 
    Kunstausstellung würdig, denn es ist wahrhaft eine 
    Kunst, verschiedenste Speisen wie Nudeln, Kartoffeln, 
    Fleisch, Gemüse und Desserts so zuzurichten, daß sie in 
    Farbe, Geschmack und Konsistenz völlig identisch sind. 
    Eine weitere, hochentwickelte Kreativleistung besteht in 
    der Gabe, dieser faden Kaumasse stets neue und 
    klangvolle Namen zu geben. 
    So steht zum Beispiel der gefürchtete "Sudbutt mit Stachelerbsen im
    Bohnenmantel" oder gar ein gewaltiges "Hirschhoden-Hacksteak im eigenen Saft mit
    Donnerflinsen" auf dem Speiseplan der Großküche Stenkelfeld. Grund genug für
    unseren Reporter, mit den Verantwortlichen vor Ort ins Detail zu gehen. 
     
    Herr
    Sönkel-Pörthagen; Sie sind Inhaber der Großküche 
    Stenkelfeld, Deutschlands bedeutendstem Kantinen- 
    zulieferer. Weit über 80% aller erwerbstätigen Bundes- 
    bürger nutzen heutzutage das Speisenangebot in der 
    firmeneigenen Kantine -- worauf führen Sie diesen 
    großartigen Erfolg zurück? 
     
    Nun, unser Erfolg liegt im Überraschungsmoment, d.h. 
    wir bieten immer wieder Gerichte an, die so keiner kennt 
    und gehen auch in der Kombination der Zutaten 
    neue Wege. 
     
    Können Sie da ein Beispiel geben? 
     
    Ja, nehmen wir doch gleich mal hier das Menü an der 
    Fertigungsstraße 2, das ist unsere "Büsumer Grützpfanne 
    Tischlerin Art". Es handelt sich dabei um einen 
    ausgehöhlten ganzen Milzrettich, gefüllt mit pürrierten 
    Innereien vom Kanalaal, denen wir gepfefferte 
    Backpflaumenkerne unterjubeln; eins von zahlreichen 
    Gerichten, um die man sich im häuslichen Bereich gern 
    herumdrückt . 
     
    Ja, das scheint mir auch eher ein Menü für besondere 
    Anlässe... 
     
    (Ein Koch im bekleckerten Feinripp-Unterhemd schluft mit 
    einem Blecheimer vorbei.) 
     
    Wo soll der Fugenmörtel hin, Chef? 
     
    In die Nachspeise, Du Tölpel!!! 
      
     
    Sönkel-Pörthagen guckt seinem Angestellten 
    kopfschüttelnd hinterher. 
    Der Reporter nimmt den Faden wieder auf: 
     
    Wie steht's denn mit der bewährten, alten Hausmannskost, 
    die ja auch von Ihnen zubereitet wird? Ich sehe hier zum 
    Beispiel einen Topf mit einer bräunlichen Soße... 
     
    Ja, das ist der Bottich mit dem Grünkohl, der wird bei 
    uns erntefrisch zubereitet, d.h. der kocht seit der Ernte; 
    das ist jetzt anderthalb Wochen her. Der wird übermorgen 
    noch durch'n Feinsieb gepreßt, denn nur so lassen sich 
    zuverlässig alle Geschmacksstoffe herausziehen. 
    Ein umgekehrtes Verfahren gilt für die Kartoffeln, die wir 
    bis zur ersten Auskeimung bei 42 Grad vorschrumpeln 
    lassen und dann bei 500 Grad schockerhitzen, so daß 
    unter einer mehlig bröckelnden Oberfläche ein angenehm 
    kühler Knusperkern für Furore sorgt. 
     
    Also man kann sagen, modernste Zubereitungsverfahren. 
    Was sind denn aus Ihrer Sicht die entscheidenden 
    Fortschritte bei der Herstellung von Massenverpflegung? 
     
    Unser Firmengründer, der alte Sönkel, hat hier ja damals 
    mit 3 Bunsenbrennern angefangen. Da brauchten Sie bis 
    zu 3 Wochen, bis sich Nudeln so richtig zersetzt hatten 
    oder Gemüse den letzten Biß verlor. Oder ein anderes 
    Beispiel: Um Fisch zum Riechen zu bringen, mußten sie 
    den damals tagelang in die Sonne legen und dann noch 
    von Hand mit Dorschgalle beträufeln. Heute holen wir den 
    vorgefault aus dem Tropensilo. Und was den Rest betrifft: 
    Nudeln, Kartoffeln, Fleisch oder was Sie wollen, das wird 
    bei uns alles zu einer fettigen, geschmacklosen, breiigen 
    Einheitspampe zusammengefiedelt, so wie es die Kantinen 
    lieben. Und den Rest, den keiner mehr will, den 
    verschweißen wir aufbruchsicher in Spezialplastik und 
    verscherbeln das an die Fluglinien in aller Welt. 
     
    Aber wenn doch mal einer diese Packungen aufkriegt, 
    da bleibt doch auch immer mal was übrig? 
     
    Und seh'n Sie: Das ist ein gefundenes Fressen für die 
    Speisewagen der deutschen Bahn - die stehen am Ende 
    der Nahrungskette.
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