Was wäre ein ländliches, intaktes Gemeinwesen ohne den Zusammenhalt der Menschen durch Brauchtum und Tradition - Werte, die zum Beispiel durch das alljährliche Stenkelfelder Schützenfest gepflegt und weitergetragen werden. Zum ganz besonderen Ereignis sollte das 600ste Jubiläum der 1397 gegründeten Pestgilde werden. Grund genug für unseren Reporter, die Verantwortlichen vor Ort im Detail zu beobachten. Das Schützenfest der Sfenkelfelder Pestgilde von 1427 begann am letzten Wochenende nach altem Brauch mit dem Empfang der Gildebrüder im Ständesaal des Rathauses. Traditionsgemäß fehlen die Gildeschwestern - die Rolle der Damen erschöpft sich nach strengem Ritual in der Herstellung der Türgirlanden sowie niederen Bewirtungsdiensten. In einem eindringlichen, bewegenden Grußwort hob Bürgermeister Oelgemöller, angetan mit der Paradeuniforrn des Dragonerregiments Baron von Bentheim, den Vorbildcharakter der Gilde für das moralische und sittliche Empfinden der Bevölkerung hervor: "Festliches Beisammensein in fröhlicher Runde ist gerade in der heutigen Zeit, äh..., da kann es keine zwei Meinungen geben!" räsonierte der Bürgermeister, flankiert von zwei schwankenden Bannerträgern, die noch ganz unter dem Eindruck des vorausgegangenen Gildefrühstücks (80%iger Rübenbrand mit einem Spritzer Himbeergeist) standen und mit glasigen Augen ins Nichts starrten. "Deshalb werden wir auch in Zukunft unser gefestigtes Gemeinwesen ohne Wenn und Aber - und dies freut mich besonders für die Jugend - mit Tradition und Heimatliebe im Sinne unserer Vorväter in Ehren halten." Nach einem festlichen Umtrunk aus dem Zinngeschirr der Höcklager Klostervereinigung folgte die Festgesellschaft bei herrlichem Sonnenschein und 28 Grad im Schatten dem Fanfarenzug des Kriegervereins Heringsmoor zum Festzelt auf der Holtmannswiese, immer wieder unterbrochen durch Darreichungen eiskalten Weizenkorns von buntbeschürzten Anwohnerinnen entlang der Strecke. Nach den Ehrentänzen von Hofstaat und Gefolge ging es dann zum traditionellen Gildeschluck, einer nach geheimen Rezepten gebrannten Mixtur aus Kräuterlikör und Sellerieköm, aufgefüllt mit reinem Alkohol und serviert in den Original-Holzschuhen der Pestkohler Leihschaft von 1519. Mit Gustav Gnöttgen wurde alsdann ein sichtlich gelöster zweiter Ältermann behutsam ans Mikrofon geführt. Ohne Abschweifung brachte Gnöttgen den Wertewandel der Gilde auf den Punkt: "In einer Zeit der Verwahrlosung und des Werteverfalls muß es unsere Aufgabe sein... äh, also, daß wir dafür sorgen, gegen Unordnung und verkommene Sitten, hier, wollen mal sagen... äh, anständig alles durchzuführen. Deshalb laßt uns mit erhobenen Gläsern eintreten gegen Remmidemmitum, Nestbeschmutzung und Betreten der Grünflächen!!!" Ein buntes Bild bot sich dann beim rituellen Totentanz um den Gildebaum, bei dem die mit Rotem Aufgesetztem gefüllten Zylinder der Leichenbittergesellschaff von 1748 geleert werden müssen, ohne etwas zu verschütten. Nach der Ehrung der Gefallenen aller Kriege seit 1268, bei der nach alter Sitte pro Krieg jeweils ein doppelter Eiergrog schweigend eingenommen wird, schritt man endlich zur feierlichen Branntweintaufe der neuen Mitglieder, wobei hochprozentiger Branntwein nach altem Brauch mit einer großen Schöpfkelle aus Pulverfässern des Burgenvereins Schmöllerheide verabreicht wird. Einen weiteren Höhepunkt erfuhr das Gildefest dann beim festlichen Ansaugen am historischen Starkbierbrunnen der Stenkelfelder Gaubrauerei von 1933 durch das neue Königspaar Helmut der Willenlose und Sigrun die Stadtbekannte. Anstelle eines vorhergehenden, zeitraubenden Vogelschießens reichte dem Gildevorstand diesmal eine Bonitätsauskunft der Stadtsparkasse, daß die neuen Majestäten mindestens für ein Jahr zur Finanzierung des wöchentlichen Champagner-Konvents in der Lage sind. Beim traditionellen Erbrechen auf der Festwiese, zu dem seit eh und je Kartoffelschnaps aus Blumenvasen gereicht wird, erinnerte Gustav Gnöttgen noch einmal - im Rahmen der ihm verbliebenen Möglichkeiten - an die besondere Verantwortung der Gilde gegenüber der heranwachsenden Jugend: "Als Hü...üter von Ehre, Anstand unnn... Dissssiplin... müssen wir den jungen Leuten ein Vovorbild geben, damit sssie nich mit Rrrauschgift un Drogen von der schiefen Bahn abkommen oder sogar die Türen mit'n Fuß aufmachen oder auf den Heizkörpern sitzen und leere Flaschen 'rumstehen lassen!!! Und damit... erkllläre ich unsere nneue Apfelkorntränke als Treffpunkt hir jungunnalt als für jetzt eröffnet." Nach dem beliebten Rumlenzen, bei dem weißer Rum mit einem Schuß Magenbitter aus der Schiffsglocke der Seglerkameradschaft von 1840 gereicht wird, verzögerte sich das abschließende Heimleuchten der Majestäten, weil dem Königspaar nach dem historischen Glühweinkollegium am Schießstand die eigene Adresse entfallen war. Mit einem schmetternden Platzkonzert vor dem Kreiskrankenhaus klang dann ein rundum gelungenes Schützenfest im Morgengrauen aus. |